Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Kreis Groß-Gerau e. V.

Auf dem Land Radfahren

Auf dem Land Radfahren © ADFC | april agentur

Radfahren auf Fahrbahnen: Konflikte mit Autoverkehr

Radfahrende sind auf Fahrbahnen, Schutz- und Radfahrstreifen rechtlich geschützt. Doch im Alltag entstehen regelmäßig Konflikte mit dem Autoverkehr – von zu geringem Überholabstand bis zu plötzlich geöffneten Türen.

Im deutschen Straßenverkehrsrecht gilt der Grundsatz der Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmenden. Dennoch kommt es im Alltag immer wieder zu Konflikten zwischen Auto- und Radverkehr. Besonders bei Fragen des Sicherheitsabstands, der Radwegbenutzungspflicht und bei Unfällen durch geöffnete Autotüren herrscht oft Unsicherheit. Der ADFC klärt über die wichtigsten rechtlichen Grundlagen auf und gibt praktische Hinweise für mehr Sicherheit im Straßenverkehr.

Urteil bekräftigt: Radfahrende gehören auf die Straße

Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht hat 2010 in einem Grundsatzurteil bestätigt, dass Menschen auf dem Fahrrad grundsätzlich die Fahrbahn nutzen dürfen und Radwege nur in Ausnahmefällen als benutzungspflichtig ausgewiesen werden können.

Ein ADFC-Mitglied klagte erfolgreich gegen die Stadt Regensburg, die eine Radwegbenutzungspflicht für gemeinsame Geh- und Radwege angeordnet hatte (Az.: BVerwG 3 C 42.09). Das Gericht stellte klar: Radwege dürfen nur dann als benutzungspflichtig gekennzeichnet werden, wenn „aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse eine erheblich erhöhte Gefährdung“ besteht (§ 45 Absatz 9 StVO). Die Richter betonten, dass die Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmenden gestärkt werden müsse und Fahrradfahrende nicht auf unzureichende Radwege gezwungen werden dürfen. Obwohl die Straßenverkehrsordnung bereits seit 1997 das Fahren auf der Fahrbahn als Regelfall vorsieht, sind in vielen Kommunen viele Radwege noch als benutzungspflichtig ausgeschildert.

Der Ratgeber für Radfahrende der Deutschen Anwaltshotline AG unter inhaltlicher Mitwirkung des ADFC lässt sich hier herunterladen!

 

Schutzstreifen und Radfahrstreifen

Beim Überholen von Radfahrenden gilt ein Mindestabstand von 1,5 bis 2 Metern. Der Abstand gilt sowohl auf Schutzstreifen als auch auf Radfahrstreifen.

Der Schutzstreifen gehört zur Fahrbahn, daher gilt das Abstandsgebot des § 5 Abs. 4 S. 2 StVO direkt. Der Radfahrstreifen ist dagegen ein Sonderweg und nicht Teil der Fahrbahn. Hier gelten das allgemeine Rücksichtnahme-Gebot und das Gefährdungsverbot nach § 1 Abs. 2 StVO.

Für den Sicherheitsabstand macht die Art der Markierung keinen Unterschied. Zu dichtes und gefährdendes Vorbeifahren kann als Ordnungswidrigkeit oder Verkehrsstraftat geahndet werden (§ 315c StGB).

Dooring-Unfälle: Plötzlich öffnet sich die Autotür

„Dooring“ beschreibt Unfälle, bei denen Radfahrende gegen eine plötzlich geöffnete Autotür prallen. Überraschend geöffnete Türen gefährden Fahrradfahrende erheblich. Laut § 14 StVO muss „wer ein- oder aussteigt, sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.“ 

Dennoch verweigern Versicherungen oft den vollen Schadensersatz wegen angeblich unzureichenden Abstands. Der ADFC empfiehlt, bei zu geringem Abstand zu parkenden Autos auf die Fahrbahn zu wechseln und mindestens einen Meter Abstand zu halten.

Gerichte bewerten den nötigen Sicherheitsabstand unterschiedlich: Das OLG Saarbrücken akzeptiert 90 cm als ausreichend (4 U 80/07), während das OLG Jena 80-90 cm als zu gering einstuft (5 U 596/06). Bei bereits offenstehenden Türen oder erkennbarem Beladen müssen Fahrradfahrende mehr Abstand halten, um Teilschuldvorwürfe zu vermeiden.

Bei plötzlichem, unvorhersehbarem Türöffnen haftet der Autofahrende in der Regel zu 100 Prozent. Nur den halben Schadensersatz erhielt ein Radfahrer, weil er zu dicht an einem gerade erst anhaltenden Auto vorbeifuhr und durch einen schweren Beutel am Lenker beim Ausweichen behindert wurde (Kammergericht – KG, 12 U 1022/70).

Für Fehlverhalten von Mitfahrenden haften Fahrzeugführende nur in Ausnahmefällen. Taxifahrende müssen Fahrgäste nicht zu verkehrsgerechtem Verhalten anhalten (OLG Hamm 9 U 9/99), haften aber mit bei verbotswidrigem Halten auf Radwegen ohne Warnung (OLG Köln, 11 U 234/91). ADFC-Rechtsexperte Roland Huhn fordert: „Unfälle durch geöffnete Autotüren sollten zur Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs gerechnet werden, denn das Öffnen der Tür gehört zum Betrieb.“ So müssten Halter und Kfz-Haftpflichtversicherung auch bei Unfällen durch Beifahrer:innen haften.

Bei Unfällen kann eine Fahrrad-Dashcam wertvolle Beweismittel liefern und den genauen Unfallhergang dokumentieren – besonders bei Dooring-Unfällen, wo oft Aussage gegen Aussage steht.

Mehr zu Fahrrad-Dashcams

Nebeneinander und freihändig fahren

Entgegen verbreiteter Annahmen dürfen Radfahrende nebeneinander fahren, solange sie den Verkehr nicht behindern. Bei Behinderung droht ein Bußgeld von 20 Euro, bei Gefährdung 25 Euro und mit Unfallfolge 30 Euro.

In Fahrradstraßen dürfen Radfahrende immer zu zweit nebeneinander fahren. Das gilt auch für „geschlossene Verbände“ ab 16 Personen. Autos müssen dann hinter den Radfahrenden bleiben, wenn zum Überholen nicht genug Platz vorhanden ist.

Freihändiges Radfahren ist in Deutschland verboten und wird mit fünf Euro Bußgeld geahndet. Einhändiges Radfahren ist erlaubt, wenn das Fahrrad dabei unter Kontrolle bleibt.

Autor: Roland Huhn, ADFC-Referent Recht

Verwandte Themen

Diamantstraße, Trebur

Radverkehrskonzept Trebur 2012

Das Radverkehrskonzept baut auf dem vom Landkreis Groß-Gerau aufgestellten Konzept auf und befasst sich vertieft mit der…

Radwegweiser, Rüsselsheim

Qualitätskontrolle RadRoutenNetz Rüsselsheim am Main 2018

Im Sommer 2018 hat der ADFC Kreis Groß-Gerau im Auftrag der Stadt Rüsselsheim am Main eine Qualitätskontrolle des…

 Visualisierung Protected Bike Lanes in Berlin

Publikation zur Radverkehrsförderung in Kommunen

Gemeinsam haben der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der ADFC die Publikation „Förderung des Radverkehrs in Städten…

Darmstädter Landstraße in Ginsheim-Gustavsburg

Mobilitätskonzept Ginsheim-Gustavsburg 2022

Ginsheim-Gustavsburg möchte Vorreiter und Ideengeber im Bereich nachhaltiger Mobilität werden und für Kommunen ähnlicher…

Umlaufsperre Rüsselsheim am Main

Hindernisse auf Radwegen in Rüsselsheim am Main

Der ADFC Kreis Groß-Gerau hat ein Kataster der in der Gemarkung der Stadt Rüsselsheim am Main vorhandenen Poller und…

Beschilderung Kreisradroute

Radverkehrskonzept Kreis Groß-Gerau 2021

Der Kreis Groß-Gerau möchte die Nutzung des Fahrrades attraktiver und sicherer gestalten. Er möchte den Radverkehr…

Logo Radentscheid Groß-Gerau

Radentscheid Groß-Gerau

Das Forum Verkehrswende Groß-Gerau, in dem auch einige ADFC-Mitglieder aktiv sind, hat Ende 2020 beschlossen, einen…

Ampelgriff

Ampelgriff

Für Radfahrende, die gerne auf dem Fahrrad sitzen bleiben, während sie bei Rot an Ampeln warten, haben Verkehrsplaner…

Verein Fahrrad & Familie: Radfahren mit Baby

Radfahren in der Schwangerschaft, mit Baby und Kleinkind, selbst radelndem Kind? Ab wann darf ich mein Kind im Anhänger…

https://kreisgg.adfc.de/artikel/radfahren-auf-fahrbahnen-konflikte-mit-autoverkehr-6

Bleiben Sie in Kontakt