Radreisebericht: Auf dem Loire-Radweg
Elf Tage vom 3. bis 13. Juli 2018 an der Loire unterwegs. 13 Teilnehmerinnen und Teilnehmer legen rund 710 Kilometer zurück.
Unser ADFC-Mitglied Sigrid hatte zu einer großen Radtour an der Loire eingeladen und brauchte sich über Zuspruch nicht zu beklagen. Schon im November 2017 konnte sie deshalb die Hotelzimmer in den vorgesehenen Etappenorten buchen, musste allerdings auch die unliebsame Erfahrung machen, dass durch Rücktritte kurz vor Fahrtbeginn Stornierungen erforderlich wurden.
So waren es am Ende noch 13 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich am 3. Juli 2018, aus unterschiedlichen Richtungen und Entfernungen anreisend, um 5.15 Uhr auf dem Groß-Gerauer Marktplatz einfanden, wo unser Fahrer Thomas aus Mühlheim/Main routiniert die 13 Fahrräder in den Ständern auf dem Anhänger seines Kleinbusses festzurrte. Die meisten von uns kannten sich schon von der Mitarbeit beim ADFC und von früheren Touren.
Tourenleiterin Sigrid hat schon oft gezeigt, dass sie ihrer „Truppe“ zügig vorausfährt und - durch den vorgezeichneten Track ihres GPS-Geräts (fast immer) sicher geleitet - nur selten auf Orientierungsstopps angewiesen ist. So war es auch an der Loire, wo wir sogar doppelt satellitengestützt unterwegs waren, weil auch Sigrids Lebensgefährte Reinhard mit einem solchen Gerät ausgerüstet war und nur ganz selten keine Harmonie zwischen den beiden GPS-Geräten bestand.
Wenn, vornehmlich bei der Fahrt durch große Städte, der unsichtbare Faden zwischen den Radlerinnen und Radlern einmal riss, sei es durch plötzlich rot werdende Ampeln oder Fußgänger, die auf ihr gutes Vorrecht an der Benutzung eines Zebrastreifens pochten, dann konnten wir immer mit der großen Umsicht Marios, unseres ADFC-Kreisvorsitzenden rechnen, der anhielt und die Gruppe wieder zusammenführte. Tatkräftig unterstützte ihn dabei die tourerprobte Silvia, Kassenwartin des ADFC Kreis Groß-Gerau, die leider, wie schon bei früheren Touren, wieder ein Opfer ihres süßen Blutes wurde. Ein Wespenstich, für die meisten eine Kleinigkeit, führte bei ihr allergiebedingt zu einem dick geschwollenen Arm. Der Dritte im Bunde derer, die unermüdlich gegen den Verlust einzelner Tourmitglieder kämpften und jeden Tag klaglos die ihm angediente Rolle des „Lumpensammlers“ übernahm, war Bernd, der im Fahrradrückspiegel leicht an seiner zuweilen schweißgetränkten gelben Warnweste auszumachen war.
Eine um jeden besorgte Mitfahrerin war Doris, die blitzschnell (aber sicher nicht nur wegen ihrer elektromotorischen Unterstützung), mit ihren stets griffbereiten homöopathischen Mitteln zur Stelle war, wenn nach einem der einfach unvermeidlichen kleinen Stürze Verletzungsspuren zu lindern waren. Der Verfasser dieser Zeilen, nicht gerade ein gläubiger Anhänger dieser Medizin, musste verblüfft mit ansehen, wie für ihn mit Sicherheit zu erwartende Schwellungen nach Doris‘ Behandlung einfach nicht auftreten wollten.
Eine große Unterstützung für Sigrid bei allen großen und kleinen Problemen, die Kenntnisse der Landessprache erforderten, war Cornelia. Dank ihres ausgezeichneten Französischs gab es weder Probleme beim Einchecken in den Hotels noch beim Kauf von Fahrkarten für die Gruppe bei der französischen Eisenbahn. Auch die vielen Fragen bei der Bestellung und Bezahlung selbst komplizierter Menüzusammenstellungen konnte sie klären.
Willi war der einzige von uns, der auf der über 700 km langen Gesamtstrecke einen Schaden an seinem Rad hatte, der nicht vor Ort behoben werden konnte. Ein Lagerschaden in der rechten Pedale blockierte plötzlich deren Rotation. Reinhards Vorschlag, einfach weiterzufahren und die Blockade jeweils mit Kraft zu überwinden, erwies sich als richtig. Willi brachte die Etappe mit hoher zusätzlicher Leistung zu Ende und konnte sich am nächsten Tag in Tours neue Pedalen montieren lassen.
Eva und ihr Lebensgefährte Eberhard waren ein starkes „Fahrergespann“, das auch abends nach dem Essen noch lange Spaziergänge unternahm, um den jeweiligen Etappenort zu erkunden. Dank seiner guten Kondition konnte sich Eberhard immer wieder aus dem Peloton zurückfallen lassen und fotografieren, was ihn am Wegrand interessierte. Und er fand viel Bemerkenswertes, was uns anderen oft nicht aufgefallen wäre.
Annerose war die älteste Frau und ihr Lebensgefährte Jürgen der älteste Mann in der Gruppe. Beide freuten sich nach den siebenhundert Kilometern in acht Tagen ohne Ruhetag sehr, dass sie den Tourverlauf nicht verzögert hatten und die Krämpfe in ihren Beinen meist gegen Morgen abgeflaut waren und das Wohlbefinden am nächsten Tag nicht beeinträchtigt hatten.
Margret hatte als ehemalige Fußballerin möglicherweise am meisten von uns zu leiden, weil sie nicht jedes interessante Spiel um die Fußballweltmeisterschaft am Hotel-Fernsehapparat verfolgen konnte, sondern abends kostbare Zeit fürs Abendessen aufbringen musste. Wir können alle nur hoffen, dass nach der etwas unrühmlichen Vorrunden-Vorstellung der deutschen Nationalmannschaft diejenige Mannschaft gewonnen hat, die auch nach Margrets sachkundiger Einschätzung am besten gespielt hat.
1. und 2.Tag: Um 6 Uhr startete Thomas am 3. Juli den Bus Richtung Orléans, wo wir mit drei Zwischenstopps um 17 Uhr am Hôtel Ibis Centre Orléans Sud ankamen.
Nach Übernachtung in Orléans und einer kurzen Stadtbesichtigung fuhren wir am 4. Juli gegen Mittag mit der Eisenbahn nach St. Nazaire an der Atlantikküste mit Umsteigen und anderthalb Stunden Aufenthalt in Tours. Ungewohnt für uns war, dass in den Kopfbahnhöfen das Abfahrtsgleis aus Sicherheitsgründen jeweils erst zwanzig Minuten vor Abfahrt des Zugs bekanntgegeben wurde. Die Unterbringung unserer dreizehn Räder war nicht ganz einfach, weil der dafür vorgesehene Platz im TER (Transport Express Régional) nicht allzu großzügig bemessen ist. Gegen 19 Uhr kamen wir in St. Nazaire an und konnten vom Bahnhof zum Hôtel le Bretagne auf einer Allee fahren, deren breite Mittelspur den Fahrradfahrern vorbehalten ist, während sich die Autofahrer mit je einer schmalen Fahrspur links und rechts begnügen müssen. Nicht jeder von uns verstand diesen Luxus auf Anhieb. Nach Bus- und Bahnfahrt in der Sommerhitze genossen wir die frische Brise beim Abendessen am Strand.
3. Tag: Am nächsten Tag ging es dann endlich auf die Räder. Es war klar, dass nicht alle Besichtigungswünsche an der geschichtsträchtigen Route erfüllt werden könnten. Dafür hätte die vorgesehene Fahrzeit von acht Tagen bei einer (tatsächlich zurückgelegten) Fahrstrecke von 710 km nicht ausgereicht. Das Ganze sollte ja auch eine Radtour mit angemessener sportlicher Herausforderung werden. Die Hoffnung, dass durch die Wahl der West-Ost-Richtung die in Westeuropa vorherrschenden Westwinde die Fahrt trotzdem zu einem Kinderspiel machen würden, erfüllte sich allerdings nicht so ganz. Hitze und ein besonders gegen Nachmittag aufkommender Wind aus östlicher Richtung sorgten dafür, dass abends keine lauten Klagen über Mangel an Müdigkeit zu hören waren.
Nach Einkauf des Tagesproviants in einem Supermarkt vor dem 1941 von der deutschen Wehrmacht gebauten U-Boot-Bunker ging es auf verschlungenen Wegen zur 3336m langen und bis zu 68m hohen Schrägseilbrücke, die den Mündungstrichter der Loire überspannt. Beiderseits ist die dreispurige Fahrbahn durch eine unterbrochene Linie begrenzt, die je einen etwa 1m breiten Fahrstreifen für Radfahrer frei lässt, bei starkem Wind und hohem LKW-Aufkommen eine sicher nicht leicht zu bewältigende Fahrstrecke. Aber wir hatten Glück und brauchten wegen des fehlenden Windes nicht auf die Überfahrt per Rad zu verzichten.
Bis Paimbœuf hat der am Loiredamm entlang führende Radweg eine wassergebundene Decke. Danach ging es flott weiter auf gutem Asphalt. In La Roche machten wir gegenüber dem Kohle/Öl-Kraftwerk Cordemais eine Pause. In Le Pellerin, wo wir in einem netten Café einen weiteren Stopp einlegten, gibt es eine Autofähre hinüber aufs rechte Ufer nach Couëron, einen Vorort von Nantes. Wir blieben aber weiter links und nahmen einige kurze Steigungen und Abfahrten in Kauf, weil diese Route landschaftlich schöner ist. Auch die nach acht weiteren Kilometern die Loire überquerende zweite Fährverbindung wählten wir nicht und kamen deshalb unverhofft durch Bougenais, die seit 1989 mit Ginsheim-Gustavsburg verschwisterte Stadt am Südufer der Loire direkt gegenüber von Nantes. Da galt es natürlich für Doris, die in Ginsheim-Gustavsburg wohnt, anzuhalten und das Verschwisterungsschild am Ortseingang zu fotografieren.
Als wir nach 74km an unserem Hotel Kyriad Nantes Centre Graslin mitten in Nantes angekommen waren und alle Räder in einem nur auf einem Umweg um den ganzen Häuserblock erreichbaren winzigen Innenhof Platz gefunden hatten, blieb noch Zeit für ein Bier in einer Kneipe, bevor wir uns in dem von uns gewählten indischen Restaurant zu einem hervorragenden Abendessen niederlassen konnten. Das quirlige Leben im Zentrum dieser Stadt mit mehr als 600.000 Einwohnern hätte Urlauber, die nicht den Tag auf einem Fahrradsattel verbracht hätten, sicher noch zu einer längeren abendlichen Besichtigungsrunde eingeladen.
4. Tag: Kurz nach 9 Uhr war der Himmel noch bedeckt, als wir uns auf den Weg machten und auf guten Radwegen auf dem Nordufer Nantes verließen. In Mauves-sur-Loire hätte uns die im Bikeline-Radtourenbuch „Loire-Radweg“ empfohlene Route aufs linke Loire-Ufer wechseln lassen. Doch auch der von uns eingeschlagene Weg auf dem rechten Ufer ist ausgeschildert und verläuft ziemlich geradlinig etwa 10km neben der Eisenbahntrasse Nantes-Angers bis Oudon. Streckenweise ist er recht schmal und auch weitgehend unbefestigt. Wegen der anhaltenden Trockenheit war er jedoch gut zu bewältigen.
An diesem Morgen konnten wir uns anstatt in einem Supermarkt erst in einem Bäckerladen in Oudon mit Tagesproviant versorgen, nachdem wir schon 25km gefahren waren. Grund genug, diesen Einkaufsstopp zu einer Kaffeepause auszudehnen.
In Ancenis fuhren wir über eine Brücke aufs linke Loire-Ufer und erreichten auf wunderschönen Wegen mit herrlichen Ausblicken auf den Fluss nach weiteren 15 Kilometern Saint-Florent-le-Vieil. Unterwegs fanden wir einige Holzbänke am Ufer, die zu einer ausgiebigen Mittagsrast einluden.
Die Entscheidung, auf welchem Ufer es weitergehen sollte, fiel zunächst zu Gunsten des Nordufers. Dort gibt der Bikeline-Führer eine Alternativroute an. Aber wir verpassten deren Anfang direkt am nördlichen Brückenkopf und entschlossen uns deshalb nach kurzer Irrfahrt doch für die Hauptroute auf dem linken Ufer, so dass wir noch einmal an der Eisenskulptur des stolzen gallischen Hahns vorbeikamen, den nicht wenige von uns vorher fotografiert hatten.
In Montjean-sur-Loire ging es über eine schmale Brücke auf die Île de Chalonne, die größte bewohnte Insel der Loire, 11 Kilometer lang und maximal 1,3 Kilometer breit. An ihrem östlichen Ende führte uns eine breite Straßenbrücke wieder aufs rechte Ufer nach Le Port Girault. Dass uns noch zwei kurze, aber knackige Anstiege auf unserer heutigen 112km langen Tagesetappe bevorstehen würden, wussten wir hier noch nicht. Der Anstieg nach La Possonière wurde noch von allen ohne Absteigen genommen, doch in Épiré mussten einige von uns „auf die Füße“. Bald darauf passierten wir die Stelle, an der die Loire den Nebenfluss Maine aufnimmt, der am nördlichen Stadtrand unseres heutigen Tagesziels Angers von den beiden Flüssen Sarthe und Mayenne gebildet wird. Ihre Quellen liegen in den Bergen der Normandie westlich von Paris. Noch eine halbe Umrundung des Lac de Maine, eines 1970 zu Freizeitzwecken angelegten künstlichen Sees, dann hatten wir den wunderschönen Blick auf das Château d’Angers, dessen schwarz-weiß gestreifte Bollwerke aus Schiefer und Kalkstein auf Angreifer bestimmt einen abschreckenden Eindruck gemacht haben dürften.
Noch einmal ging es bergauf, bis wir das Hôtel Continental erreichten, mit Klimaanlage ausgerüstet und nicht nur deshalb, sondern vor allem auch wegen des überaus freundlichen Empfangs - sogar unsere Fahrräder durften im Hotel übernachten - eine Wohltat nach der langen und heißen Tagesetappe.
5. Tag: Am heutigen Tag würde die zurückzulegende Strecke mit 73km zwar deutlich kürzer sein, aber dafür würden mit vielen kurzen und teilweise steilen Anstiegen immerhin 490 Höhenmeter zusammenkommen. Der Radweg würde nicht brav am Ufer verlaufen und die anhaltende Hitze mit dazu beitragen, dass wir erst nach 18 Uhr unser Tagesziel erreichen würden.
Doch alles der Reihe nach: Das Frühstück im Hotel Continental war opulent. Der Gast konnte sich sein Frühstücksei am Büffet kochen und hatte damit dessen Härtegrad selbst in der Hand. Diverse Kuchen und Plätzchen, Schokolade, frische und getrocknete Früchte, diverse Säfte und sogar eine gewisse Auswahl an Brot (vom deutschen Brotliebhaber besonders vermerkt) ließen die Zeit bis zum Start um neun Uhr fast zu kurz erscheinen.
Zunächst passierten wir noch einige schöne Sehenswürdigkeiten der Stadt. Auf einer vom Bikeline-Führer als Alternative vorgeschlagenen Route fuhren wir nach Überquerung der Loire Richtung Süden in hügeliges Gelände und erreichten um die Mittagszeit das Château de Brissac, einen sehr kompakten monumentalen Bau, der mit seinen Rundtürmen daran erinnert, dass sein Vorgänger eine Burg war. Das von seinen Besitzern bewohnte Schloss liegt in einem großen Park englischen Stils, in dem wir uns in einer dem heißen Wetter angepasst langen Mittagspause mehr oder weniger dem Nichtstun hingeben durften.
Nach der Weiterfahrt durch die Weinberge des Anbaugebiets Anjou-Saumur konnte Reinhard plötzlich nur noch im ersten Gang seiner Shimano-8-Gang-Schaltung fahren. Bernd holte bereits ein Seil aus seinem Gepäck und stellte sich auf einen Seilschlepp mit seinem Pedelec ein. Aber Reinhard war für einen Reparaturversuch. Da er von der vorgesehenen Route den gleichen Track wie Sigrid im GPS-Gerät gespeichert hatte, würde man sicher wieder zusammenfinden, wenn die Gruppe zwischenzeitlich vorausführe. Mehr zur Gesellschaft als zur Hilfe blieb Jürgen bei Reinhard, der in Windeseile das Hinterrad aus- und wieder einbaute und sich mit gleicher Geschwindigkeit tiefschwarze Hände holte. Dabei dürfte so viel den Schaltvorgang verhindernder Schmutz seine Position gewechselt haben, dass die Schaltung wieder funktionierte und bis zum Tourende keine Probleme mehr bereitete. Unter Auslassung zweier kleiner Umwege im vorgesehenen Tourenverlauf wurde die Gruppe wieder eingeholt, als sie in Saint-Maur in einem Wirtshausgarten kurz zuvor eine Nachmittagspause eingelegt hatte.
Auf einer von Autos wenig befahrenen Uferstraße rollten wir danach in flotter Fahrt weiter bis Gennes. Hier hätten wir die „Chance“ gehabt, noch einmal einen Umweg über die Hügel zu machen. Aber wir wählten weiter die Uferstraße bis La Coix und bogen dort in den Auwald am Loireufer ab. Noch ein paar Kilometer durch diesen Wald und Saint-Florent, ein Vorort von Saumur mit zwei großen Sektkellereien, war erreicht. Doch bis zu unserem Hotel in Saumur, dem Campanile Saumur, hatten wir es noch nicht geschafft. Zunächst ging es noch einmal ans Ufer der Loire zur Brücke über eine alte Schleuse, dann höchst verwinkelt und durch mehrere enge Umlaufsperren in ein Wohngebiet und in diesem weiter hinauf auf den Landrücken zwischen der Loire und ihrem südlichen Nebenfluss Thouet, der ein paar Kilometer westlich von Saumur von der Loire aufgenommen wird. Das Hotel, ähnlich einem Motel aus mehreren Gebäuden mit Ein-Zimmer-Appartements gebaut, verfügt über einen offenbar erst kürzlich erbauten Holzschuppen, den unsere dreizehn Räder lückenlos ausfüllten. Ein Wok-Restaurant in unmittelbarer Nachbarschaft ließ bei niemandem von uns mehr große Lust zu einem Spaziergang hinunter in die Stadt aufkommen.
6. Tag: Das Frühstück im Campanile Saumur dürfte selbst die anspruchsvollsten Gäste beeindruckt haben. Die Auswahl an Köstlichkeiten war überwältigend und entsprach überhaupt nicht dem, was in einem herkömmlichen Reiseführer als „französisches Frühstück“ beschrieben wird. Schade, dass die bevorstehende körperliche Betätigung dem potentiellen Aufnahmevermögen des Magens eine Beschränkung auferlegte.
Auch heute, auf dem Weg von Saumur nach Tours, würden wir wieder hohe Temperaturen und einen besonders gegen Mittag aufkommenden leichten Nordostwind haben. Bis Parnay blieben wir in Ufernähe und erhielten dort einen kleinen Eindruck davon, wie stark das Südufer der Loire in der Gegend von Saumur durch Höhlen geprägt ist, die in den weißen Kalk-Tuffstein gegraben wurden, um das Baumaterial für die Gebäude zu gewinnen. Man findet in der Literatur Angaben, dass die Loire-Höhlen eine Gesamtlänge von über 1000km aufweisen. Bei Saumur werden in ihnen die meisten Champignons in Frankreich gezüchtet.
Eine dieser auch als Wohnungen dienenden Höhlen konnten wir uns von außen ein wenig länger anschauen, weil wir Reinhard „verloren“ hatten und ihn erst in Montsoreau „wiederfanden“, wo wir in einem der großen sonntäglichen Märkte landeten. Richtung Savigny-en-Véron fuhren wir in etwa drei Kilometer Abstand zur Loire durch schöne Wälder und erreichten das Ufer erst wieder 4km hinter Avoine. Um einen Blick auf die Burg Chinon zu werfen, in der Richard Löwenherz gewohnt hatte, als sie noch den Engländern gehörte und in der viele Jahre später Jeanne d’Arc ihrem späteren König zum ersten Mal gegenübertrat, hätten wir einen längeren Umweg machen müssen. Wir wählten das im Laufe der Jahrhunderte vielfach umgebaute „Märchenschloss“ Château d’Ussé, einen Kilometer südlich der Loire gelegen, als Mittagsziel. Das auf dem Nordufer der Loire nur fünf Kilometer entfernte Château de Langeais, in dem Henri VII. seine Hochzeit mit Anne de Bretagne feierte und damit die Bretagne endgültig an Frankreich band, können wir nicht besuchen. Leider lässt sich eine anspruchsvolle Radtour, wie wir sie uns vorgestellt haben, nicht mit der Besichtigung aller Sehenswürdigkeiten an der Route verbinden und seien sie auch noch so einmalig.
Eine längere Pause legten wir erst wieder am Château de Villandry ein, das wir erreichten, kurz nachdem wir von der Loire zu deren südlichem Nebenfluss Cher abgebogen waren, der im französischen Zentralmassiv entspringt. Einige Tourteilnehmer sahen sich die nach alten Stichen und Plänen rekonstruierten Gärten des Schlosses an. Diese sind genau wie das Schloss selbst geschickt durch Hecken und niedrige Bäume gegen Einblick von der Straße her abgeschirmt, so dass es kaum möglich ist, von außen zu einem guten Foto zu kommen.
Kurz nach der Weiterfahrt streikte plötzlich Willis rechte Pedale. Wahrscheinlich Schaden im Kugellager. Eine Demontage war wegen Fehlens eines passenden Schlüssels nicht möglich. Reinhard riet zum kräftigen Durchtreten in der Hoffnung, dass sich die Innereien des Lagers weiter zerlegen würden. Ein richtiger Tipp. Willi konnte, wenn auch mit zusätzlicher Anstrengung, die restlichen Kilometer der heutigen 95km langen Etappe bis zum Ziel, dem Hôtel Saint Jean in Tours, gemeinsam mit den anderen zurücklegen. Die Einfahrt in die durch die Loire und ihren Nebenfluss Cher dreigeteilte Stadt war ein wenig kompliziert, unter anderem, weil mit den bepackten Rädern noch eine zwar kurze, aber steile Treppe zu überwinden war, bei der unsere starken jungen Männer aber ganze Arbeit leisteten. Einem Verkehrspolizisten, so er denn da gewesen wäre, hätten sicher die Haare zu Berge gestanden, wenn er hätte mit ansehen müssen, wie der größte Teil unserer Gruppe die mehrspurige Avenue de Grammont hinauf zum Hotel auf der falschen Straßenseite zurücklegte.
Unglaublich, dass sich hinter der winzig schmalen Fassade des Hauses Nr. 13 am Place des Halles ein ganzes Hotel verbirgt. Die Zimmergröße passt aber sehr gut zur Fassade. Man musste seine Füße sauber hintereinander setzen, wenn man ums Bett herum ins Bad wollte.
Der Weg zum gemeinsamen Abendessen in einem Restaurant in der Altstadt war zum Glück nur kurz, denn auch nach Einbruch der Dunkelheit wurde nur langsam die Hitze zwischen den Häusern erträglicher.
7. Tag: Wieder ein Tag mit einer Höchsttemperatur von ca. 30°C. Vom Hotel fuhren wir zunächst zu einem nicht weit entfernten Fahrradgeschäft, wo Willi sich ein Paar neue Pedalen montieren ließ.
Noch ein Blick aufs Château de Tours und die dahinter liegende Kathedrale. Die Gebeine des heiligen Martin, des dritten Bischofs von Tours, ruhen nicht in der Kathedrale, sondern in einer 1925 geweihten im byzantinischen Stil erbauten Basilika.
Nach dem Einkauf des Tagesbedarfs in einem Supermarkt verließen wir die Stadt auf einem Radweg an der südlichen Uferstraße.
Unser erstes Zwischenziel auf dem Weg nach Blois war Amboise, wo sich die Mehrheit für einen Abstecher zu einem nah gelegenen Modellpark der Loire-Schlösser entschied und man sich um die Mittagszeit wieder unterhalb der Schlossanlage treffen wollte. (Der Verfasser dieser Zeilen, der den Besuch des Château d‘Amboise vorzog, kann über den Modellpark deshalb nicht berichten.) Château d‘Amboise ist eines der ältesten Schlösser an der Loire. Es entstand aus einem römischen Kastell zunächst als Burg, die später zum Königsschloss ausgebaut wurde. Mitte des 16. Jahrhunderts gehörte es zu den größten Schlossanlagen des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Renaissance. Leonardo da Vinci hat hier die drei letzten Jahre seines Lebens verbracht. Heute ist nur noch ein Teil der damaligen Gebäude erhalten. Der Blick von einem der Türme über die Schlossgartenanlage auf die Stadt ist traumhaft schön.
Mittagshitze und ein zwar kurzer, aber sehr steiler Anstieg hinauf zum Hochplateau, auf dem die Loire-Route weiter verläuft, erzeugte bei den meisten von uns heftige Schweißausbrüche, auch bei denen, die ihr Rad hinauf schoben. Um der besonderen Herausforderung zu entgehen, der die Nachkömmlinge ausgesetzt sind, wenn die oben Wartenden gleich weiterfahren wollen, erbaten sich ein paar dieser Nachkömmlinge einen kleinen Vorsprung und waren froh, dass sie nach vier Kilometern dem Wegweiser des Loireradwegs folgen und nach Mosnes hinunter zur Loire rollen konnten. Von der Straße im Tal konnten sie erkennen, dass die anderen wenig später ebenfalls den Weg ins Tal gesucht hatten. Im Auwald vor Rilly-sur-Loire trafen wir uns alle wieder.
In Candé-sur-Beuvron, direkt hinter der Brücke über den Nebenfluss Beuvron, fanden wir eine kleine Bar, deren Besitzerin zwar durch unseren Durst anfangs etwas überfordert schien, aber Bernds Wunsch nach einem „Getränk für alle“ willig nachkam. Laut Bikeline-Führer wären jetzt nochmals etwa sieben Kilometer mit leichten(?) Aufs und Abs angesagt gewesen. Aber durch Mehrheitsentscheid wurde die Uferstraße D173 gewählt, die bis drei Kilometer vor Blois wenig Verkehr aufwies. Nach Vereinigung mit der wesentlich verkehrsreicheren D751 machten uns allerdings einige Autofahrer eindringlich auf einen Radweg abseits der Straße aufmerksam, dessen Zufahrt wir übersehen hatten. Noch eine kurze Trinkpause und schon bald darauf war die Pont Mitterand erreicht, von der aus wir einen wunderschönen Spätnachmittagsblick auf die Loire, die nordöstlich liegende Steinbrücke Pont Jaques Gabriel und die Stadtsilhouette von Blois hatten. Bis zu unserem Citôtel Hôtel Louise der Savoie mit seinem Mini-Fahrradschuppen mussten noch ein paar steile Höhenmeter zurückgelegt werden. Heute kam der Kilometerzähler bei 73km zur Ruhe.
8. Tag: Nach wiederum sehr warmer Nacht war auch wieder ein warmer Tag zu erwarten. Die Weiterfahrt wollten wir nicht ohne Besichtigung des Château de Blois antreten, vor dem wir uns schon vor dessen Öffnung einfanden. So konnten wir, bevor wir den Hof des Königsschlosses betreten durften, den sechsköpfigen Drachen bestaunen, der halbstündlich an den Fenstern eines zu Ehren des berühmten Zauberers Robert Houdin eingerichteten Museums der Magie erscheint.
Anderthalb Stunden lang hatten wir Zeit, für 12 € Eintritt + 4 € Audioguide-Gebühr einen Blick in diesen Repräsentationsbau des französischen Königtums zu werfen, der in drei Flügeln unterschiedlicher Gestalt drei wichtige Epochen der französischen Geschichte widerspiegelt: Der Eingangsflügel Ludwigs XII. den Beginn der Renaissance, der Flügel Franz I. mit seinem achteckigen Treppenturm die italienische Hochrenaissance und der Flügel des Thronanwärters Gaston d‘Orléans das 17. Jahrhundert. Die prachtvollen Kamine sind eine besondere Augenweide für den Besucher und dürften die Gäste der Könige außerordentlich beeindruckt haben.
Kurz nach halb elf Uhr schwärmten wir vom Place Louis XII. noch einmal in verschiedene Richtungen aus. Supermarkt und Apotheke waren die Hauptziele. Dann ging es über die 1724 fertiggestellte und nach ihrem Architekten benannnte Steinbrücke Pont Jaques Gabriel hinüber aufs Südufer, wo wir uns bald darauf entscheiden mussten, ob wir einen 8km langen teilweise hügeligen Umweg über das Château de Chambord machen oder am Loireufer bleiben wollten. Die Mehrheit entschied sich für die Route am Fuss entlang. Zwei eingehende Schlossbesichtigungen an einem Tag wären nicht mit dem vorgesehenen Tourenplan zu vereinbaren gewesen, auch wenn Chambord, das größte Loireschloss, Jagd- und Lustschloss des Sonnenkönigs Ludwig XIV., mit seinem riesigen Park ein besonderer „Leckerbissen“ für Fankreichtouristen ist.
Bald darauf fanden wir gegenüber dem Château de Ménars einen passenden Platz für ein Gruppenfoto aller Teilnehmer(innen), auf das zumindest die Tourenführung zur „ewigen“ Erinnerung einen Anspruch hat. Das meinte jedenfalls der Fotograf, auch wenn er mit Vorbereitung und Arrangement ein wenig die Geduld der Abgelichteten strapazierte.
Als das Bild „im Kasten“ war, ging es gegen mittelleichten Wind flott weiter bis Muides-sur-Loire, wo eine etwas längere Pause eingelegt wurde. Wir wechselten anschließend aufs Nordufer und fuhren in der Nähe des Ufers durch ein schönes Auengebiet, wo sich Wald- und Freiflächen abwechselten, nach Beaugency, die letzten acht Kilometer auf wassergebundener Fahrbahn. Das Atomkraftwerk Saint Laurent mit zwei stillgelegten und zwei noch in Betrieb befindlichen Reaktoren ließen wir rechts am gegenüberliegenden Ufer liegen. In der Nähe des nördlichen Brückenkopfs des mittelalterlichen Loire-Übergangs fanden wir ein nettes Café, wo wir uns zur letzten Rast auf dieser Touretappe vor unserem Tagesziel Orléans niederließen.
In Meung-sur-Loire überquerten wir wieder die Loire und nach weiteren zwanzig Kilometern waren wir, großenteils auf Nebenstraßen geführt, an einer Brücke in Orléans, über die wir zunächst wieder aufs Nordufer und an diesem entlang bis zur Pont Georges V. fuhren. Über diese Brücke ging es wieder nach Süden hinüber und durch etliche Nebenstraßen zum Hôtel Ibis Centre Sud, das wir bereits von unserer ersten Übernachtung nach der Anfahrt mit dem Bus kannten. Diesmal verzichteten wir darauf, unsere Räder im Schuppen für den Hotelmüll abzustellen, den wir auf der Hinfahrt benutzt hatten und aus dem frühmorgens Mario und Willi den Müllmännern geholfen hatten, die Räder herauszuschaffen.
Mit 71 km war es heute die kürzeste Etappe unserer Tour. Annerose, Willi und Jürgen schlossen sich abends den „Guides“ Silvia und Mario an, die am Ankunfttag ein vielversprechendes Lokal ausfindig gemacht hatten, das ein wenig weiter vom Hotel entfernt lag als das, in dem die meisten von uns erneut einkehrten. Wir wurden nicht enttäuscht, denn bei einem Abendessen für 17 €, des man sich aus jeweils umfangreichen Buffets für Vorspeisem, Hauptgericht und Nachtisch zusammenstellen konnte, blieben keine Wünsche offen. Allerdings hatte Mario ziemlich viel Arbeit, weil es nur kleine Flaschen mit dem von ihm heiß geliebten Orangensaft gab und er etwa fünf- bis sechsmal nachbestellen musste.
9.Tag: Frühstück im etwas spartanisch eingerichteten Entrée des Hotels. Um 8.30 Uhr saßen wir schon wieder auf unseren Fahrrädern Richtung Loireufer und es ging an diesem entlang etwa 30km bis Châteauneuf-sur-Loire, wo wir aufs Nordufer wechselten. Nach weiteren 10km konnten wir in Saint-Benoit-sur-Loire vor dem Torturm der Basilika des Klosters Abbaye de Fleury (der Name, den die hier seit 1944 wieder ansässigen Benediktinermönche für ihr Kloster bevorzugen) ausgiebig zu Mittag rasten. Nachdem im Jahr 653 Mönche der Abtei die Gebeine des heiligen Benedikt von Nursia aus dem zerstörten Kloster Montecassino geborgen und hierher geholt hatten, war Saint-Benoit-sur-Loire im Mittelalter ein bekannter Wallfahrtsort. Das ist er aber offenbar inzwischen auch wieder. Wir kamen zufällig an dem Tag hier an, als das Fest der Überführung der Gebeine des heiligen Benedikt mit einer Messe gefeiert wurde. Die Basilika war bis auf den letzten Platz gefüllt und sogar ein Bus mit Pilgern aus Niederbayern war gekommen. Als die wieder in ihren Bus einstiegen und sich dabei unterhielten, lauschte Reinhard, unser bayerischer Mitradler, ganz andächtig den heimatlichen Tönen. Einer der Pilgerinnen war das „ADFC“ auf einigen T-Shirts von uns aufgefallen und sie gab sich als Mitglied des Münchner ADFC zu erkennen.
In der Kleinstadt Sully-sur-Loire, nach weiteren 10km, war wieder ein kurzer Halt angezeigt. Das Château de Sully-sur-Loire gleicht zwar mehr einer mittelalterlichen Wasserburg als so viele andere Loireschlösser. Aber auch hier erfolgten im Laufe der Zeit viele Umbauten. Einer Beschreibung ist zu entnehmen, dass in Sully-sur-Loire das „Tor des Tals der Schlösser“ liege. Die Loire ist hier über dreihundert Meter breit und es entstanden schon seit der Römerzeit Brücken, die aber mehrfach durch Hochwasser zerstört wurden.
Bis Briare, zu unserem heutigen Ziel, war es nun nicht mehr weit. Wir passierten Gien auf der gegenüberliegenden Loireseite. Die Altstadt wurde zu Beginn des 2. Weltkriegs am 15. Juni 1940 durch Feuer völlig zerstört, als die deutsche Lufwaffe die Loirebrücke angriff, um den französischen Truppen den Rückzug abzuschneiden. Ab und zu muss man sich daran erinnern, dass Frankreich und Deutschland bis zum 2. Weltkrieg „Erzfeinde“ waren und wieviel unbedingten Willen zur zukünftigen Freundschaft de Gaulle und Adenauer so kurz nach diesem Vernichtungskrieg aufbrachten, als sie sich im September 1958 in de Gaulles Landsitz zum ersten Mal trafen und den Grundstein zum Freundschaftsvertrag zwischen den beiden Völkern legten, der im Januar 1963 abgeschlossen wurde.
In Briare, unserem heutigen Ziel, konnten wir über eine besondere Brücke in die Stadt fahren, über die Brücke des Canal latéral à la Loire. Dieser 1822-38 gebaute Kanal verläuft von Digoin in nordwestlicher Richtung 196km bis Briare. Er ist an beiden Enden mit weiteren Kanälen verbunden, so dass man mit Booten von der Seine über die Saône bis zum Mittelmeer fahren kann. Die Ausstattung mit Kanalbrücken erfolgte aber erst 1890-96. Die von Briare war mit 660m Länge hundert Jahre lang die größte Kanalbrücke Europas, bis ihr die Brücke des Mittellandkanals über die Elbe bei Magdeburg den Rang ablief.
Unser Ziel, das Logis Hôtel Le Cerf, ist nur etwa einen Kilometer von der Kanalbrücke entfernt. Wir wurden sehr freundlich in dieser liebevoll eingerichteten Herberge empfangen. Auf den heutigen 93km war es wegen leichter Bewölkung nicht ganz so heiß wie an den Vortagen.
Ein besonderer Spaß stand uns aber noch in dem Restaurant bevor, das uns der Besitzer unseres Hotels empfohlen hatte. Wir wurden von einem recht missmutig drein schauenden Wirt empfangen, der sich erst später beim Kassieren als Original entpuppte. Den Spaß auf die Höhe trieb, wenn auch unbeabsichtigt, unser Mitfahrer Willi. Als er sich in der Toilette zwischen zwei Türen entscheiden musste und sich nicht mehr erinnerte, durch welche er eingetreten war, wählte er auf gut Glück eine von beiden aus. Die führte allerdings mitten in den Gastraum und vor ihr stand ein mit Gläsern gefülltes Regal, das verhindern sollte, dass diese Tür geöffnet werden könnte. Als sich das Regal auf einmal bewegte, Willis Gesicht im sich öffnenden Spalt erschien und ungläubiges Erstaunen ausdrückte, war die Heiterkeit auf beiden Seiten groß.
Inzwischen hatten wir schon gelernt, dass Bezahlen in einem französischen Restaurant keine einfache Sache ist, wenn jeder Gast seine eigene Rechnung haben will. Getränke und Speisen werden tischweise geliefert und aufnotiert. Deshalb holte sich unser Wirt, als es ans Begleichen der Rechnung(en) ging, einen kleinen Tisch, auf den er demonstrativ seinen Taschenrechner postierte. Danach wurden wir nach unserem Verzehr abgefragt. Eine Prozedur, die großes Gelächter auf beiden Seiten hervorrief.
10. Tag: Letzte Touretappe. Auf den 110km von Briare nach Nevers, unserem Endziel, sollte es wieder heiß werden. Deshalb hatten wir als Abfahrtszeit wie gestern 8.30 Uhr vereinbart. Im Frühstücksraum saßen drei englische Monteure des großen deutschen Landmaschinenherstellers Claas mit Hauptsitz im ostwestfälischen Harsewinkel. Die Ernte in Frankreich lief auf vollen Touren. Da gab es sicher genug für die Drei zu tun.
Wir fuhren kein zweites Mal über die eindrucksvolle Kanalbrücke, sondern blieben die ersten 12km auf dem rechten Ufer, wo viele Waldstücke willkommenen Schatten gaben. In Bonny-sur-Loire ging’s wieder über die Loire Richtung Belleville, den letzten Kilometer am Loire-Seitenkanal entlang. In Belleville bogen wir zum gleichnamigen Kernkraftwerk hin ab, das wir in unmittelbarer Nähe der Kühltürme passierten. Bis Bannay führte unser Weg entlang schöner Wälder zwischen Loire und Kanal. Ab Bannay bis Saint-Satur unterhalb des auf einem Bergkegel liegenden Weinorts Sancerre radelten wir wieder sieben Kilometer am Kanal entlang, wobei wir mehrere Hausboote passierten.
In Saint-Satur machten wir Mittagspause auf ein paar Ruhebänken in einem kleinen Park, nachdem wir uns kurz zuvor von dem Schreck erholt hatten, der uns in die Glieder gefahren war, als Sigrid Richtung Sancerre abgebogen war. Bevor es richtig steil wurde, blies Sigrid das Unternehmen glücklicherweise ab, obwohl uns sicher eine malerische Variante erwartet hätte, deren Vorgeschmack uns eine hoch über uns verlaufende alte Eisenbahnbrücke gegeben hatte, auf der ebenfalls eine Tourvariante im Bikeline-Führer verzeichnet ist.
Dann fuhren wir zwischen der Loire und dem sie begleitenden Kanal auf einem wunderbar glatten Radweg bis La Barque gegenüber von La Charité-sur-Loire. Wir suchten uns vor einer kleinen Café-Bar direkt an der N151 Auxerre-Bourges einen halbwegs schattigen Platz. Hier lässt sich hautnah LKW-Verkehr auf einer französischen Nationalstraße erleben, die wie eine Bundesstraße in Deutschland gebührenfrei befahren werden darf und deshalb besonders den LKW-Verkehr magisch anzieht. Ein Laster folgte dem anderen über die durch eine Loireinsel zweigeteilte Brücke. Deren die Stadt mit der Loire-Insel verbindender Teil wurde schon im 16. Jahrhundert erbaut und im 18. Jahrhundert renoviert. Dass dieses Bauwerk auch dem heutigen Verkehr noch standhält, zeigt, wie groß die Konstruktionskunst der alten Brückenbauer war. Da kann man nur den Hut ziehen.Wieviele moderne Spannbetonbrücken aus der Nachkriegszeit mussten dagegen schon abgebrochen und durch neue ersetzt werden.
Wir fuhren anschließend weiter über den asphaltierten Radweg auf dem Loire-Damm und trafen erst nach weiteren 12km in Marseilles-lès-Aubigny wieder auf den Loire-Seitenkanal, in dessen Hafen zahlreiche Hausboote lagen. Ein kurzes steiles Stück sehr schlechte Wegstrecke musste danach am Kanal entlang bewältigt werden, bevor wir wieder die D45 an einer rechtwinkligen Kurve erreichten. Der Bikeline-Route folgend hätten wir von hier noch 8,5km bis Givry fahren müssen, um dort die Loire nach Fourchambault zu überqueren. Die Autostraße über Cours-les-Barres, die wir „unter die Reifen nahmen“, war etwa genauso lang. Ab und zu mal ein Stück auf einer Straße zu fahren hält den Aufmerksamkeitspegel ausreichend hoch.
Der vom Bikeline-Führer empfohlene 25km lange Bogen zur Loirebrücke von Nevers blieb uns erspart. Er hätte die heutige Tagesetappe doch zu sehr ausgedehnt. Wir überquerten die Bahnlinie Nevers-Briare am Bahnhof Fourchambault mit einigem Schiebeaufwand auf einer steilen Fußgängerbrücke und fuhren dann bergauf nach Varennes-Vauzelles, einem nördlichen Stadtteil von Nevers, wo wir überraschend schnell auf unser Hotel Ibis Budget Nevers stießen, nachdem wir noch ein kleines Stück (verbotenerweise) auf der D907 gefahren waren.
Als wir auf dem Parkplatz am Hotel neben dem Kleinbus der Firma Hitz aus Mühlheim am Main unsere Räder abstellten, kam auch schon Thomas, unser Fahrer, und prüfte uns schulmäßig ab: „Wer hat sich die Positionsnummer nicht gemerkt, die sein Fahrrad auf der Hinfahrt hatte“. Da wussten wir alle, dass wir der deutschen Gründlichkeit wieder ausgeliefert waren und eine eventuell in Frankreich adaptierte „Leichtigkeit des Seins“ ein Ende hatte.
Ein gemeinsames gemütliches Abendessen im Restaurant gegenüber vom Hotel, bei dem Cornelias Französischkenntnisse wieder stark gefragt waren, war ein stimmungsvoller Abschluss einer erlebnisreichen ADFC-Radtour, für deren Organisation und Vorbereitung sich alle Teilnehmer(innen) herzlich bei Sigrid und Reinhard bedankten.
710km hatten wir in acht Tagen zurückgelegt und dabei unvergessliche Eindrücke gesammelt. Die Hitze und der fehlende Westwind hatten die überwiegend nicht mehr ganz jugendliche Gruppe einigermaßen stark gefordert. Ein Lob der deutschen Fahrradreifen-Industrie! Es gab auf diesen 13 x 710 = 9.230 zurückgelegten Fahrradkilometern keinen einzigen „Platten“. Das wäre vor Entwicklung der „unplattbaren“ Reifen undenkbar gewesen, als man bei der Planung von Radtouren gewöhnlich auch Reparaturzeiten einkalkulierte.
11.Tag: Am Abreisetag konnten wir beim Frühstück amüsiert den Bemühungen dreier Frauen vom Service zuschauen, die mit der Kaffemaschine „kämpften“. Der Kampf verlief jedoch ohne besondere Anzeichen von Hektik und nachdem alle Anstrengung vergebens war, wurde einfach wieder auf alte herkömmliche Art Kaffee aufgebrüht.
Pünktlich um 8 Uhr saßen alle im Bus, den Thomas in zügiger Fahrt mit drei vorgeschriebenen Ruhepausen auf den in Frankreich verkehrsarmen Autobahnen A77, A19, A5, A26, A4, A320, A6 und A63 Richtung Mainz und weiter nach Groß-Gerau steuerte.
Danke an Jürgen für den Tourenbericht.